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Christine Metzen – Kabbe:
„Kartoffelsuppe in der Wüste? Recherche, Detailgenauigkeit
und peinliche Fehler beim historischen Roman“*
RESUMEE des Vortrags auf der Herbsttagung des FDA-Nord,
Vechta, 3. November 2019
Der Aspekt Detailgenauigkeit wird zur Zeit heftig diskutiert: der Begriff histo -
rischer Roman definiert sich jedoch selbst – die Leser/innen haben von daher
das Recht auf fachliche und sachliche Korrektheit; alles andere ist aus der
Sicht des Historikers Schlamperei und unprofessionelles Arbeiten.
Die sog. „künstlerische oder dichterische Freiheit“ darf meiner Meinung
nach kein Freibrief für persönliche Wünsche und Ideologien sein. Sonst
muss sich ein Romanautor die Frage gefallen lassen, was ihn von einem
Holocaust-Leugner unterscheidet. Also von Leuten, die alles zerstören - oder
leugnen - was nicht in das eigene Welt - und Kulturbild passt.
Mit welchen Themen muss ich mich befassen, wenn ich etwas über einen Men -
schen am Ende des 3. Jts vor oder um 1000 vor wissen möchte? Sehr einfach:
ich brauche alle Bereiche des Lebens seiner oder ihrer Zeit. Wie bei einem
jeden Menschen steht das Leben einer/eines Romanprotagonisten/in auf vier
Säulen und wird durch sie bestimmt:
die Zeit, in der sie oder er lebt,
der Raum, in dem sie oder er sich bewegt,
das Sozialgefüge, das sie oder ihn prägt und bestimmt,
der mentalitätsgeschichtliche Rahmen, der das Denken und Fühlen der damals handelnden Personen bestimmt.
Über diese 4 Säulen gilt es, sich als Erstes genau zu informieren. Mein Schwerpunkt liegt auf Fachbüchern und Museen. Zusätzlich
ist es für mich wichtig, dass die historische und archäologische Literatur möglichst den aktuellen Forschungsstand wiedergibt.
Daneben ist es wichtig, Originaltexte und Primärquellen heranzuziehnen.
Aber dem sind Grenzen gesetzt: man muss die Sprache beherrschen oder mit
vorhandenen Übersetzungen arbeiten. Dabei gilt es jedoch zu bedenken:
Übersetzen ist immer auch Interpretieren! Mit der Wortwahl gibt die/der
Übersetzer/in Aussagen aus einem anderen Kulturkreis und einer anderen Zeit
eine eigene Deutung es ist also immer auch subjektiv, z. B. Fehler „Hexe“ (=
das Böse) statt „Totenbeschwörerin“ (= Sachbegriff)!
Kleidung, Mode ist immer an eine festgesetzte Zeit gebunden; sie dient
neben anderen Zwecken der geschlechtsspezifischen, der sozialen und der
ethnischen Differenzierung. Wenn wir darauf nicht genau achten, haben
wir hier schon eine Quelle für peinliche Fehler!
Daher finde ich das Betrachten von Bildquellen zur Kleidung als Einstieg sehr
hilfreich, denn sehr häufig entstehen „Kartoffelfehler“ durch Bilder, die auch eine
Autorin oder ein Autor fest im Kopf, vor ihren inneren Augen verankert haben.
Das Überprüfen dieser Bilder und der Abgleich mit den Gegebenheiten der
jeweiligen historischen Realität sind von daher unabdingbar.
Sprachliche Anachronismen sind ebenso zu vermeiden, z. B. griechischstämmigeFachtermini in der falschen historischen Epoche oder ein Adjektiv wie„eisengrau“ zur Charakterisierung
einer Person in der Bronzezeit.
Die eben genannten Beispiele sind mögliche Fehler oder Fehlerquellen. Um
nicht in solche Gruben zu fallen, ist es meiner Meinung unabdingbar, dass ich
alles, was ich schreibe, äußerst sorgfältig kontrolliere und überprüfe. Auch
wenn das bedeutet, dass ich ein Kapitel zunächst für einige Wochen „auf Eis“
oder „in die Warteschleife“ tun muss, dass ich mir vielleicht auch fachkundige
Hilfe holen muss. Auch alle anderen Aspekte, Raum, Sozialgefüge und
Mentalitätsgeschichte müssen sorgfältig recherchiert werden.
Neben dem mentalitätsgeschichtlichen Aspekt kommt für die Autorin nun ein
weiterer, extrem wichtiger Aspekt hinzu – der der Psychologie. Was immer die
unterschiedlichen Romanpersonen im weiteren Verlauf der Handlung tun
werden, es muss psychologisch stimmig sein, es muss zu dem passen, wie sie
bisher aufgetreten sind. Hier liegt also wieder eine Quelle für peinliche
Fehler.
Beim Auftreten von Kriegern / Kriegergruppen / Soldaten ist es nötig, sich sehr
genau mit militärischen Fragen wie Ausrüstung der z. B. Krieger des Stam -
mesheerbanns, Ausrüstung, Truppenaufbau und Kriegsführung aller beteiligten
Völker und Gruppen zu befassen. Forscht man hier nicht sorgfältig genug,
kämpfen plötzlich im Heer eines Königs des 11. Jhrs vor Chr. „griechische
Hopliten“ oder „römische Legionäre“.
Auch in den Bereichen Frauen und Alltagsleben finden sich Anlässe für
„peinliche Fehler“, insbesondere in den Bereichen Sakralgeschichte und
Hoheitszeichen wie z. B. Kronen. Hinterfragt und überprüft man hier nicht
sorgfältig genug, fällt man auf sich selbst herein, auf ein falsches Bild, das im
Kopf dadurch entstanden ist, dass man als Autorin / als Autor zu stark in seinen
eigenen Bilder verhaftet ist.
Aus den o. g. Gründen ist deshalb neben sorgfältiger Recherche und genau -
em Bibiographieren das ständige Überprüfen und Hinterfragen der Bilder im eigenen Kopf von großer Bedeutung.
©Christine Metzen-Kabbe.2019
*Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Autorin.